Die Europäische Union verabschiedet regelmäßig neue Richtlinien und Standards für Unternehmen, die auf ökologische und soziale Nachhaltigkeit abzielen. Unternehmen sollen dabei unterstützt werden, diese Werte langfristig in allen Bereichen ihres Geschäfts zu implementieren. Die EU-Regularien werden laufend erneuert und ausgeweitet. Auf dem neuesten Stand zu bleiben ist da nicht immer leicht, aber umso wichtiger für den Unternehmenserfolg: Bei Nichtbefolgung drohen mitunter Strafen, Bußgelder und Imageschäden.
Deswegen empfiehlt es sich, vorausschauend zu handeln und sein Unternehmen bestmöglich auf die zukünftigen Anforderungen auszurichten. In diesem Blogbeitrag erhalten Sie einen Überblick über die wichtigsten EU-weiten Nachhaltigkeitsrichtlinien und kommende Änderungen.
Die wichtigsten EU-Richtlinien im Überblick
EU-Taxonomie: Diese Verordnung legt fest, was als nachhaltige Geschäftstätigkeit gilt, um dadurch grüne Investitionen zu unterstützen
CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive): Diese verbindliche Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet bestimmte Unternehmen offenzulegen, welche ökologischen und sozialen Auswirkungen ihre Aktivitäten haben
ESRS (European Sustainability Reporting Standards): Sie legen fest, welche Anforderungen die Berichte der CSRD erfüllen müssen
SFDR (Sustainable Finance Disclosure Regulation): Die EU-Offenlegungsverordnung stellt unternehmens- und produktbezogene Transparenzanforderungen an Finanzmarktteilnehmende sowie an Finanzberater:innen
Diese Änderungen kommen auf Unternehmen zu
CSDDD (Corporate Sustainability Due Diligence Directive)
Der Name mag kompliziert klingen, konkret geht es hier aber einfach um das Europäische Lieferkettengesetz. Ähnlich wie das deutsche Lieferkettengesetz enthält es umwelt- und menschenrechtsbezogene Sorgfaltspflichten: Die EU will dadurch Unternehmen innerhalb ihres eigenen Geschäftsbereichs und entlang der gesamten Wertschöpfungskette zur Einhaltung der Menschenrechte und des Umweltschutzes verpflichten.
In ihrer aktuellsten Fassung vom 15. März 2024 betrifft die CSDDD alle EU- und ausländischen Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten und mehr als 450 Millionen Euro Nettoumsatz jährlich. Die Anwendung soll dabei gestaffelt erfolgen, je nach Unternehmensgröße und Umsatz:
Bis 2027: Unternehmen mit > 5000 Beschäftigten und 1500 Millionen Euro Umsatz
Bis 2028: Unternehmen mit > 3000 Beschäftigten und 900 Millionen Euro Umsatz
Bis 2029: Unternehmen mit > 1000 Beschäftigten und 450 Millionen Euro Umsatz
Unternehmen sind darüber hinaus verpflichtet, einen Klimaplan zu erstellen, der die Vereinbarkeit der Unternehmensstrategie mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens sicherstellt. Bei Verstößen sieht die Richtlinie Sanktionen und zivilrechtliche Haftung vor.
CSRD
Die Anfang 2023 in Kraft getretene EU-Richtlinie löst die seit 2014 geltende Non-Financial Reporting Directive (NFRD) ab. In Deutschland gelten die neuen Berichtsanforderungen seit Januar 2024 für einen eingeschränkten Kreis von Unternehmen, der Stück für Stück ausgeweitet wird. Die Daten richten sich dabei nach Beginn des Geschäftsjahres, bis zu dem die Veröffentlichung der Geschäftsberichte aus dem Vorjahr geschehen muss
2024: Unternehmen von öffentlichem Interesse mit > 500 Beschäftigten
2025: alle anderen bilanzrechtlich großen Unternehmen
2026: kapitalmarktorientierte KMU, sofern sie nicht von der Möglichkeit des Aufschubs bis 2028 Gebrauch machen
Ziel der CSRD ist es, die Rechenschaftspflicht europäischer Unternehmen über Nachhaltigkeitsaspekte zu erhöhen und erstmals verbindliche Berichtsstandards auf EU-Ebene festzuschreiben. Diese betreffen unter anderem Angaben zum Geschäftsmodell, zur Unternehmensstrategie und zum Umgang mit möglichen Chancen und Risiken im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsaspekten. Aber auch in den Bereichen E(nvironment), S(ocial) und G(overnance) müssen spezifische Angaben gemacht werden. Der Umweltbereich umfasst Klimaschutzmaßnahmen, den Schutz der Wasser- und Meeresressourcen und der biologischen Vielfalt, die Stärkung der Kreislaufwirtschaft und die Verringerung der Umweltverschmutzung. Zu den Sozial-Aspekten zählen die eigene Belegschaft und Arbeitskräfte entlang der Wertschöpfungskette, sowie betroffene Gemeinschaften, Verbraucher:innen und Endnutzer:innen. Die Governance betrifft zuletzt die Rolle der Verwaltungs-, Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane in Bezug auf Nachhaltigkeitsaspekte, die Unternehmensethik und -kultur oder das politische Engagement eines Unternehmens.
Zur besseren Messbarkeit und Vergleichbarkeit werden die Berichtsinhalte mithilfe von qualitativen und quantitativen Kennzahlen vereinheitlicht. Außerdem gilt die sogenannte Doppelte Wesentlichkeit: Unternehmen müssen demnach nicht mehr nur über die Auswirkungen von Nachhaltigkeitsaspekten auf das Unternehmen (Outside-In: Financial Materiality), sondern auch über die Auswirkungen des eigenen Geschäftsbetriebs auf Mensch und Umwelt (Inside-Out: Impact Materiality) berichten. Geprüft wird die Nachhaltigkeitsberichterstattung extern, nach den Standards der EU-Kommission. Im Rahmen der CSRD wird sie zudem zu einem verpflichtenden Teil des jährlichen Lageberichts. Mit diesen Maßnahmen soll die Nachhaltigkeitsberichterstattung sukzessive den gleichen Stellenwert erhalten wie die klassische finanzielle Berichterstattung.
SFDR
Die EU-Offenlegungsverordnung soll nachhaltige Investitionen einfacher und transparenter gestalten. Seit 2021 müssen Finanzmarktteilnehmer:innen und Finanzberater:innen deswegen offenlegen, inwiefern sie ESG-Faktoren in ihren Finanzentscheidungen berücksichtigen. Auch zu Finanzprodukten wie Investmentfonds oder Versicherungen muss angegeben werden, inwiefern diese die Umwelt und die Gesellschaft beeinflussen könnten – insbesondere, wenn sie als nachhaltige Finanzentscheidung beworben werden. Ab Mitte 2024 müssen Finanzmarktteilnehmende über den üblichen Bericht hinaus auch einen historischen Vergleich der vorherigen Referenzzeiträume aufstellen.
Sind die Regularien für nicht-berichtspflichtige Unternehmen irrelevant?
Die EU-Nachhaltigkeits-Regularien gelten hauptsächlich für Unternehmen, die als wesentliche oder wichtige Marktteilnehmer eingestuft werden, je nach Größe, Art der Geschäftstätigkeit und weiteren Kriterien. Doch auch Unternehmen, die bislang nicht berichtspflichtig sind, sollten sich rechtzeitig mit den Richtlinien befassen. Dafür gibt es drei gute Gründe:
Unternehmen können auch indirekt von den Berichts- und Sorgfaltspflichten betroffen sein – zum Beispiel, wenn sie mit berichtspflichtigen Unternehmen in ihrer Lieferkette oder in Partnerschaften zusammenarbeiten. Diese können von ihren Lieferanten und Partnern verlangen, bestimmte Nachhaltigkeitsstandards einzuhalten oder Informationen über ihre Nachhaltigkeitspraktiken offenzulegen, sicherzustellen, dass sie den eigenen Verpflichtungen entsprechen.
Die Regularien und Gesetze geben einen Trend vor, der auch die Erwartungen von Stakeholdern verändert. Kund:innen und Investor:innen bevorzugen zunehmend Unternehmen, die sich für Umweltschutz, soziale Verantwortung und gute Unternehmensführung engagieren. Durch die EU-weiten Regularien sollen diese Maßstäbe einfacher auffindbar und vergleichbar werden – umso deutlicher zeigt sich, welche Unternehmen sich noch nicht mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt haben.
Der kurze Überblick zeigt bereits, wie schnell die EU-Regularien erneuert, verändert und ausgeweitet werden. Immer mehr Unternehmen werden zur Verantwortung gezogen. So kann es sein, dass sich der Anwendungsbereich schon bald auf eine größere Bandbreite von Unternehmen ausdehnt. Deswegen ist es wichtig, die politischen Entwicklungen im Auge zu behalten und die eigenen Strategien und Praktiken rechtzeitig anzupassen, um auf mögliche zukünftige Anforderungen vorbereitet zu sein.
Viele nicht-berichtspflichtige Unternehmen erstellen bereits freiwillig Nachhaltigkeitsberichte oder richten ihre Geschäftspraktiken auf bestimmte Nachhaltigkeitsziele aus, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die EU arbeitet nun an einem einheitlichen, freiwilligen Berichtsstandard für kleine und mittlere Unternehmen, dem sogenannten Voluntary SME Standard (VSME). Er soll es KMU erleichtern, ihre Nachhaltigkeitsziele und -projekte einfacher zu dokumentieren. Ein erster Entwurf wurde im Januar dieses Jahres veröffentlicht, seit dem 21. Mai 2024 ist die öffentliche Konsultation dafür abgeschlossen.
Die Vorteile einer Anpassung für Unternehmen
Die EU-weiten Sorgfalts- und Berichtspflichten können zwar undurchsichtig erscheinen, bieten Unternehmen aber eindeutige Vorteile. So sorgt der Einbezug von Nachhaltigkeitsfaktoren in Geschäftspraxis und Unternehmensstrategie für ein verbessertes Risikomanagement: Mögliche Risiken durch Umwelteinflüsse, soziale Faktoren oder unzureichende Governance-Strukturen können rechtzeitig identifiziert und in Angriff genommen werden. Das ermöglicht mehr Effizienz und langfristigen Erfolg.
Nachhaltige Unternehmenspraktiken sind außerdem ein erheblicher Wettbewerbsvorteil: Die einheitlichen Berichtsstandards ermöglichen den direkten Vergleich und erlauben es Unternehmen somit, sich von der Konkurrenz abzuheben. Durch die gesteigerte Transparenz verbessert sich auch die Glaubwürdigkeit von Unternehmen und sorgt für mehr Vertrauen bei Stakeholdern, Kund:innen und Investor:innen. Für Anleger kann es ein zusätzlicher Anreiz sein, wenn Unternehmen Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigen. Doch der offensichtlichste Vorteil liegt in den positiven Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft: Wer die nachhaltige Unternehmensführung ernst nimmt, liefert damit einen wichtigen Beitrag für ein langlebiges, gesundes und beständiges Miteinander.
Fazit: Better safe than sorry
Jedes Unternehmen hat einen erheblichen Einfluss auf Markt, Mensch und Umwelt. EU-weite, strenge Regularien führen nicht nur dazu, dass mehr Unternehmen sich dieser Verantwortung annehmen – sie sorgen auch für die Messbarkeit, Vergleichbarkeit und Priorisierung nachhaltiger Entscheidungen. Das muss nicht zwingend zu wirtschaftlichen Verlusten führen, im Gegenteil: Wer ökologische und soziale Nachhaltigkeit in die Geschäftspraxis und Berichterstattung integriert, beugt Risiken vor, schafft Vertrauen und sichert sich einen entscheidenden Marktvorteil. Aber auch um mögliche Sanktionen oder Bußgelder zu vermeiden, empfiehlt sich die rechtzeitige Vorbereitung. Die EU arbeitet laufend an neuen Gesetzesentwürfen und -änderungen, die immer mehr Unternehmen betreffen.
Derzeit ist zum Beispiel eine Ausweitung der EU-Taxonomie geplant, die den Fokus auf soziale Nachhaltigkeit legt. Die sogenannte EU-Sozialtaxonomie soll mehr Einheitlichkeit und Transparenz in Bezug auf die Einhaltung von Menschenrechten und gerechte Arbeitsbedingungen ermöglichen. Außerdem werden momentan Richtlinien zu Produktion, Entsorgung und Recycling von Verpackungen und anderen Abfällen ausgearbeitet, wie die Packaging and Packaging Waste Regulation (PPWR) oder die EU-Abfallrahmenrichtlinie, die Waste Framework Directive. Der Blick auf die EU-Regularien zeigt also: Es lohnt sich, mit gutem Beispiel voranzugehen.
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